Fachartikel

Mysterium Druckabwicklung – 10 Dinge, die Sie darüber wissen sollten!

von Prof. Dr. Martin Dreher

Die korrekte Abwicklung der Oberflächen im Flexodruckwerk, insbesondere zwischen Druckform und Bedruckstoff, ist ein Themenbereich, der überwiegend dem Druckmaschinenbau zugeordnet wird. Dass dies jedoch ein Fehler ist und diese Angelegenheit in den unmittelbaren Fokus jeder Flexodruckerei gehört, belegen jüngste Untersuchungen im DFTA - Technologiezentrum.

Rufen wir uns an dieser Stelle zunächst einmal einige Grundtatsachen des Flexodruckverfahrens zurück ins Gedächtnis. Zum ersten haben wir es mit einem Verfahren der so genannten Elementepressung zu tun. Eine Berührung findet zwischen Druckform und Bedruckstoff nur dort statt, wo druckende Elemente aus der ansonsten nichtdruckenden Fläche emporragen. (Wir wollen an dieser Stelle einstweilen die Neuentwicklung DFTA Planoflex, wo diese Gesetzmäßigkeit außer Kraft gesetzt ist, außer Acht lassen.) Ein etwaiger Antrieb eines der beiden Zylinder über Friktion ist daher nicht möglich. Es ist ja nicht automatisch immer so, dass die Druckform auf den gesamten 360° des Umfangs druckende Elemente hätte, die eine „Mitnahme“ der Druckform durch das mittels Gegendruckzylinder angetriebenen Substrats ermöglichen würden.

Zum zweiten sind die beiden genannten Zylinder in der üblichen Flexodruckmaschine, auch aus dem oben genannten Grund, mechanisch angetrieben. Druckmaschinen mit Zahnradantrieb haben hier eine Kopplung mittels Zahnrad, die moderneren servomotorisch angetriebenen Druckmaschinen haben üblicherweise jeweils einen separaten Motor für jeden der Zylinder. Die grundsätzlichen Verhältnisse haben sich dadurch aber nicht geändert. Nach wie vor ist anzustreben, dass die beteiligten Oberflächen im Druckspalt harmonisch aufeinander abrollen, statt aneinander abzurutschen.

Und zum dritten, und das wird nach Beobachtung des Autors besonders gerne übersehen, haben wir es mit einer weichelastischen Druckform zu tun. Diese gibt im Druckspalt nach und verändert damit den effektiven Radius ihres Zylinders. Die Berechnung des Maßes, das der Druckformzylinder zur Aufnahme von Druckform und Unterbau bereitstellen muss, ist in diesem Lichte für den Leser hoffentlich bereits jetzt als nicht ganz trivial offenbart. Wir sprechen hier vom so genannten Unterschnitt (manchmal auch als Einstichtiefe bezeichnet), der sich in den meisten Fällen durch die Wahl der richtigen Wandstärke der Druckformhülsen, auf die die Druckplatten mittels Klebeband montiert werden, ergibt.

Bei den zahnradgetrieben Rollendruckmaschinen hat man nur die Möglichkeit, den gesamten Druckformaufbau inklusive Unterschnitt so zu optimieren, dass bei der mittels des Zahnrades erzwungenen Oberflächengeschwindigkeit eine harmonische Abwicklung entsteht. Bei den direkt angetriebenen Druckmaschinen kann man zwar über die softwaregesteuerte Veränderung der Rapportlänge eine harmonische Abwicklung herbeiführen, muss dann aber gegebenenfalls Abweichungen von der gewünschten Rapportlänge tolerieren. Diese Zusammenhänge und, vor allem, das mögliche Ausmaß dieser Abweichungen werden heute noch viel zu wenig verstanden und beachtet.

Dass die einfache Addition „Dicke der Druckplatte + Dicke des Klebebands = Unterschnitt der Trägerhülse“ nicht ganz vollständig sein kann wussten wir seit langem und haben das auch seitdem in unseren Seminaren gelehrt. Unsere verfeinerte Berechnung hat seitdem sicher schon vielen Flexodruckern geholfen und die erzielte Qualität nach vorne gebracht. Dass die Angelegenheit allerdings noch ein Stück komplexer ist, das hat sich jetzt erst in einer gezielten Untersuchung herausgestellt.

Für die besagte Untersuchung wurden die einschlägigen Parameter in entsprechenden Experimenten gezielt variiert: Druckplattendicke, Druckplattenmaterial, Härte des Schaumklebebandes, Druckbeistellung und natürlich die Rapportlänge, wobei deren Veränderungen mit ±3mm im Vergleich zum Produktionsalltag eher moderat ausfiel. Dennoch haben sich teils drastische Auswirkungen ergeben, die sich in den folgende n Erkenntnissen zusammenfassen lassen.

1. Symmetrie

Hat man eine harmonische Abwicklung zwischen Druckform und Bedruckstoff „gefunden“, dann haben gleich starke, aber entgegengerichtete Rapportlängenänderungen auch einen gleich großen Effekt auf das Druckbild. Die Verformung der Bildelemente zeigt in oder gegen die Druckrichtung und ist etwa gleich stark, wenn um gleich viele Milimeter in entgegengesetzte Richtungen von der Idealeinstellung abgewichen wird. Allerdings geht die Verformung, die durch das gegenseitige Rutschen von Druckformoberfläche und Bedruckstoff verursacht wird, in die jeweils andere Richtung. Die obigen Mikro-Aufnahmen zeigen das deutlich.

2. Kurioses

Als durchaus kurios empfinde ich, was hier bei Druckbildverkürzung passiert. Wir können nämlich in der Tat die Länge des gesamten Bildes durch bewusste Steuerung der Rapportlänge mittels Antrieb kürzer machen (und einen Zylinder mit der nominellen Abwicklung von X mm beispielsweise durchaus mit der realen Abwicklung von X - 5 mm drucken lassen). Dennoch werden alle kleinen Druckbildelemente durch die Relativbewegungen zwischen Druckform und Bedruckstoff im Druckspalt in die Länge gezogen! Man kann das in etwa so zusammenfassen, dass dann alle Motivelemente, die in Abwicklungsrichtung länger als der Druckspalt sind, verkürzt werden, während alle kleineren Motivelemente (dazu gehören beispielsweise die Rasterpunkte) verlängert werden.

3. Tonwertzuwachs

Auch wenn die Menge der übertragenen Menge an Druckfarbe sich nicht verändert haben kann, durch das „Verrutschen“ der Druckformkegel auf dem Substrat werden die Rasterpunkte größer und der wahrgenommene Rastertonwert steigt. Trotz der moderaten Rapportänderungen waren beim o.e. Experiment 5% Erhöhung keine Seltenheit. Bei einem Ausgangstonwert von teils nur 20% ist das natürlich eine beachtliche und vor allem deutlich sichtbare Veränderung.

4. Abwicklungsbedingte Querstreifen

Eine unharmonische Abwicklung kann Querstreifen im Druck erzeugen, das wussten wir bereits vor dieser Untersuchung. Diese hat jedoch die entsprechende Entstehungstheorie ein weiteres Mal gestützt. Die teils durch die Elastizität der Druckform verursachten und teils durch den Antrieb erzwungenen unterschiedlichen Oberflächengeschwindigkeiten führen zu einem gegenseitigen Verrutschen der Oberflächen von Bedruckstoff und Druckform. Das passiert aber nicht permanent gleichmäßig, sondern ruckartig. Weil wie bei der tektonischen Plattenverschiebung der Erdkruste erst einmal Spannung aufgebaut werden muss, bevor es im Druckspalt (unter Druck!) zu einem Rutschen kommen kann, entlädt sich die aufgestaute Energie immer nur sporadisch, wobei es dann zu einer momentanen Längung der Rasterpunkte kommt, was der Betrachter als Querstreifen im Druckbild wahrnimmt. Für den Aufbau der besagten Spannung wird allerdings eine gewisse Kontaktfläche benötigt, was bei den kleinsten Rastertonwerten nicht gegeben ist. Darum tauchen diese Querstreifen vornehmlich im Mittel - und Schattenton auf.

5. Unterschnitt bzw. korrekte Abwicklungslänge neu berechnen!

Besonders überraschend war für uns, dass unter bestimmten Bedingungen die harmonische Abwicklung um bis zu etwa 10 mm vom geometrischen Maß des Zylinders im entspannten Zustand abwich. Hatten wir also in unserem Fall eine Rapportlänge von 480 mm geometrisch auf dem Sleeve und stellten das an der Druckmaschine auch so ein, dann ergab unsere Auswertung, dass wir stellenweise einen Fehler von etwa 10 mm begingen. Besonders fatal war daran, dass diese Fehleinstellung den gedruckten Rasterpunkten nur bedingt anzusehen war.

6. Signalelemente

Nicht zuletzt wegen der mangelnden Sichtbarkeit fehlerhafter Einstellungen und der daraus folgenden Erkenntnis, dass auch sensibilisierte und aufmerksame Bediener in dieser Einstellung falsch liegen können, haben wir unser entsprechendes Signalelement für die Abwicklung modifiziert. In der aktuellen Version kann man auch kleinste Abweichungen sehr gut diagnostizieren. Darüber hinaus arbeiten wir gerade an einer Methode, mit der der Maschinenbediener die harmonische Abwicklung mithilfe von einfacher Messtechnik ermitteln kann. Wir hoffen, diese Methode zur Drupa 2016 veröffentlichen zu können.

7. Weiche Druckplatte vs. Harte

Dass die weicheren Druckplatten stärker davon betroffen sind, größere Abweichungen zwischen geometrischem Rapportmass und harmonischer Abwicklung zu entwickeln, ist für den Fachmann eher nicht verwunderlich. Dieser Zusammenhang hat sich in unserer Studie daher auch deutlich bestätigt: weichere Platten neigen sehr viel stärker dazu, Abwicklungsfehler zu entwickeln. Allerdings sind wir noch nicht ganz sicher, ob das nicht auch eine Frage der konkreten Formulierung des entsprechenden Rohstoffs ist. Unterwegs entstand nämlich der Verdacht, dass dieses Verhalten sich auch nach der Gradation der Härte einer Druckplatte richtet. Damit meine ich den „Verlauf“ der Elastizität des Materials, also ob es an der Oberfläche hart und weiter unten weich reagiert, oder umgekehrt. Das werden wir hoffentlich im Laufe der nächsten Monate noch klären können.

8. Dünne Druckplatte vs. dicke

Auch der Zusammenhang zwischen Druckplattendicke und der Neigung zu Abwicklungsfehlern ist nicht überraschend. Dünne Druckplatten, die natürlich gleichzeitig dann auch noch härter reagieren als ihre dickeren Pendants, neigen weniger zur Ausbildung von Abwicklungsfehlern. Mit den heute im Foliendruck üblichen Druckplatten der Dicke 1,14 mm, nicht selten auch noch seitens des Fotopolymers recht hart ausgestattet, drohen Abwicklungsfehler verhältnismäßig wenig. Aber auch wenn man davon nichts sieht, es kommt dennoch zum verstärkten Verschleiß der Druckplatten!

9. Druckplattenverschleiß

Auch wenn die Auflagen immer kleiner werden, vorzeitiger Verschleiß der Druckplatte ist nach wie vor eines der am meisten diskutierten Themen in meiner Praxis. Das durch Abwicklungsfehler verursachte gegenseitige Verschieben der Oberflächen im Druckspalt ist meines Erachtens die hauptsächliche Ursache dafür, wenn eine Druckplatte außergewöhnlich kurzlebig ist. Nach den in dieser Studie gemachten Erfahrungen glaube ich, dass ein ganz wesentlicher Teil dieser Problematiken durch gestörte Abwicklung erklärbar ist.

10. Liegen der Druckfarbe im Vollton

Nun gibt es zugegebenermaßen auch die Situationen, wo man mangels genau passender Sleeves den Rapport absichtlich ein wenig anders einstellen muss, als es das geometrische Maß erforderlich machen würde. Nimmt man dann lieber eine Stufe größer und verkürzt den Rapport mittels Direktantrieb der Druckmaschine oder macht man es besser umgekehrt? Die etwas höheren Kosten für die Druckplatten würden dafür sprechen, lieber eine etwas zu kleine Druckform mittels Direktantrieb „ in die Länge zu ziehen “ , aber die wenigen Extra - Quadratzentimeter an Dr uckplatte sollten üblicherweise nicht ins Gewicht fallen, wenn man sich dadurch anderweitig verbessern kann. In der Tat würde ich im Zweifel dafür stimmen, die Druckform auf dem höheren Rapport anzusiedeln und dann das Druckbild mittels Direktantrieb entsp rechend zu verkürzen. Die Erfahrung zeigt, dass dann der Druckfarbfilm im Vollton gewissermaßen etwas in sich zusammengeschoben wird und dadurch besser geschlossen ist. Zugegebenermaßen sind die Unterschiede allerdings relativ gering und bevor sie sich Ged anken über diesen Aspekt machen , sollten Sie lieber erst einmal den Unterschnitt ihrer Druckformträger so optimieren, dass eine harmonische Abwicklung entstehen kann.

Fazit

Unsere Untersuchung am DFTA Technologiezentrum hat gezeigt, dass der harmonischen Abwicklung der Zylinder in der Flexodruckmaschine viel mehr Beachtung geschenkt werden sollte, als es heute der Fall ist. Die davon ausgehenden Einflüsse auf Druckqualität und Verschleiß der Druckplatten sind deutlich gr ößer als bisher gedacht. Das DFTA Technologiezentrum steht Ihnen bei entsprechenden Fragestellungen wie immer gerne zur Seite.

 


Das DFTA-Technologiezentrum

Im DFTA-Technologiezentrum an der Hochschule der Medien in Stuttgart arbeiten Experten an der Zukunft des Flexodrucks. Schwerpunkt sind anwendungsbezogene Forschungen sowie die Aus- und Weiterbildung auf dem Gebiet des Flexodrucks in der integrierten DFTA Flexodruck Akademie.

Alle Informationen zum DFTA-Technologiezentrum finden Sie hier.

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