Fachartikel

Auf dem Weg zur nächsten Generation des Verpackungsdrucks?

von Prof. Dr. Martin Dreher

Raster-Art, -Feinheit, -Winkelung, Tonwert-Zuwachs, Lichtertöne, Druckauflagen-Stabilität, (Gelb-) Moiré, Raster-Rosetten, Farbdrift, Farbprofil, Druck-zu-Proof-Match, 7-Farben-Druck, Digitale Wasserzeichen, Datentiefe…. Was hat das alles miteinander zu tun, wie hängt das zusammen? Auf dem Weg zu einer möglicherweise wegweisenden neuen Generation von Bildrastern sind im DFTA Technologiezentrum dazu einige Zusammenhänge entdeckt worden, die für alle Mitwirkende im Verpackungsdruck von Interesse sind.

In den vergangenen Monaten hat uns am DFTA Technologiezentrum im Rahmen unserer internen Druckversuche bei Schulungen und Praktika immer wieder ein Phänomen begleitet, dass wir zwar auch heute noch nicht schlüssig erklären können, dennoch aber einen wertvollen Anstoß für Erkenntnisse geliefert hat. Wie in Abb. 1 zu sehen ist, erhielten wir in einem Testmotiv immer wieder eine graduelle, verlaufsartige Verdunkelung, die in der Grafik so nicht angelegt gewesen war. Bei näherer Betrachtung stellte es sich als „schleichende“ Farbdrift heraus.

Abbildung 1: "schleichende" Farbdrift

In dem betreffenden Motivteil drucken wir absichtlich mehrere Farben mit einem amplitudenmodulierten (AM) Raster übereinander, ohne die sonst übliche Winkelung zu praktizieren. Dies sollte zeigen, wie stark sich eine Abweichung von der durch die Originalgrafik definierten Passersituation auf das farbliche Erscheinungsbild auswirken würde, aber wir waren selbst davon überrascht, wie deutlich das Ergebnis ausgefallen ist.

Die Abbildungen 2, 3 und 4 zeigen vergrößerte Ausschnitte aus dem kritischen Bereich oberhalb und innerhalb der Zone der schleichenden Farbdrift. Für eine bessere Übersichtlichkeit wurde hier ein anderes Farbfeld als in Abb. 1 gewählt, sodass wir es nur mit Cyan und Magenta zu tun bekommen. Während man ein paar Millimeter weiter oben (Abb. 3) nahezu genau aufeinanderliegende Rasterpunkte sieht, zeigt sich im unteren Teil der Farbdrift eine durchaus nennenswerte gegenseitige Verschiebung, die wir hier als Deplatzierung bezeichnen wollen. Nach Begutachtung weiterer solcher Bereiche mit verschiedenen Farbkombinationen konnte dann auch die Frage geklärt werden, welche der beiden Teildruckfarben hiersozusagen verrutscht. Das scheint in der Tat das Magenta zu sein. Wie gesagt können wir allerdings nach wie vor nicht erklären, warum das passiert. Das Ergebnis ist jedoch reproduzierbar.

 

Abbildung 2: Violetter Farbton, absichtlich ohne Rasterwinkelung

 

Abbildung 3: Vergrößerung aus Abb. 2, oberer Teil

 

Abbildung 4: Vergrößerung aus Abb.2, unterer Teil, kritischer Bereich

Zusammenhänge und Folgerungen
Aber auch ohne die „schleichende“ Farbdrift konnte dieser Teil der Untersuchungen bereits deutlich zeigen, wie groß der farbliche Unterschied zwischen den Passersituationen ist, ob also Rasterpunkte beim autotypischen Druck übereinander oder nebeneinander liegen. Prinzipiell war das zwar auch vorher schon bekannt, jedoch hat uns wie gesagt das Ausmaß durchaus noch einmal die Augen geöffnet.

Im Sinne der aktuell laufenden Entwicklung eines neuen Bildrasters für den Flexodruck war diese Bestätigung jedoch sogar überaus willkommen, zeigte sie doch, dass autotypische Raster durchaus empfindlich auf solche Deplatzierungen der Rasterpunkte reagieren, selbst wenn die übliche Rasterwinkelung korrekt praktiziert wird. Das hat uns darin bestärkt, diesem Aspekt in unserer Entwicklung entsprechend hohes Gewicht zu geben.

Bekanntermaßen entwickeln wir im DFTA Technologiezentrum seit einigen Jahren eigene Bildraster speziell für den Flexodruck. Wir wollen damit zeigen, wie viel Potenzial gerade diesbezüglich noch im Flexodruck steckt, um sowohl die Druckqualität als auch die Stabilität und Zielgenauigkeit noch weiter zu verbessern.

Die hier beschriebenen Erkenntnisse haben wir insofern umgesetzt als wir damit darin bestätigt wurden, eine neuartige Idee für einen Bildraster umzusetzen, die nun möglicherweise sogar eine ganz neue Rasterungs-Generation eröffnen kann.

Der besagte neue DFTA Bildraster „DFTA Screen V14 SuperFM 5Gen“ (DFTA Screen V14) hat inzwischen einige Entwicklungsstufen durchlaufen und seine ersten Feuertaufen bestanden. Im Zuge der zahlreichen Experimente sind uns dabei aber einige interessante Zusammenhänge aufgefallen, die eine Reihe von aktuellen Themen miteinander verknüpfen. Wir möchten diese Zusammenhänge hier der Fachwelt schildern und zur Diskussion einladen.

Bekannte Zusammenhänge - bestätigt, aber teilweise geschärft!
Dass AM-Raster im mehrfarbigen Druck eine Winkelung benötigen, ist natürlich nicht neu. Im Zusammenspiel mit den oben geschilderten Beobachtungen rund um Farbdrift und dem Wissen, dass die aktuell kommerziell verfügbaren AM Raster jeweils lediglich 3 „echte“ Winkelungen mit einem idealen Delta von 30° erlauben, rückt die Sache mit dem unvermeidbaren Gelb-Moiré unweigerlich nach recht weit oben auf unserer Pflichtenliste für eine alternative Rasterung. Wir mussten uns folglich vornehmen, mehr als drei echte Winkel zu gestatten, falls unsere Neuentwicklung einen deutlichen AM-Charakter aufweisen sollte. Denkt man aber in dieser Beziehung noch etwas weiter in die mögliche Zukunft, dann muss man die zu erfüllende Hürde sogar noch deutlich höher legen, weil der gegenwärtig häufig diskutierte Druck mit einer festen Farbpalette aus 7 Grundfarben (7C) in Zukunft durchaus mehr Bedeutung gewinnen könnte.

FM-Raster lösen dieses Problem mit Bravour, weisen jedoch andere Nachteile auf, sodass sie sich zumindest nicht auf breiter Front in der Drucktechnik, geschweige denn im Flexodruck, etablieren konnten. Mit dem sogenannten digital modulierten Raster „Bellissima“ von Hamillroad könnte sich das ändern, was aber im Moment noch nicht abzusehen ist. Der Gedanke, unser „Heil“ in einer Frequenzmodulation zu suchen, erschien uns im DFTA Technologiezentrum jedoch trotzdem so spannend, dass wir ihn weiterverfolgt haben. Der besagte „DFTA Screen V14 SuperFM 5Gen“ wurde denn auch auf den ersten Blick ein FM Raster, wenn auch kein gewöhnlicher (siehe Abbildung 7).

Hinlänglich bekannt ist der Fachwelt natürlich auch, dass im „Reich“ der AM-Raster eine höhere Feinheit gleichbedeutend mit größeren Herausforderungen im Druck, aber auch mit besserer Detailzeichnung des darzustellenden Motivs ist. Neu dazugekommen ist bei uns nun aber die Erkenntnis, dass auch die feinen AM-Raster noch immer eine signifikante Glättung von Details im Bild mit sich bringen. Wir alle haben uns hieran gewöhnt und manchmal ist diese Glättung sogar vorteilhaft, um ein Motiv nicht allzu unruhig aussehen zu lassen. Im Bestreben nach einer möglichst perfekten Umsetzung von der Vorlage bis ins fertige Druckbild müsste man jedoch auch hier andere Wege gehen, um zumindest in der Lage zu sein, jedes noch so kleine Detail aus dem Original auch bis in den Druck transportieren zu können. Auch dabei sind FM Raster deutlich im Vorteil.

 

Abbildung 5: Beispielfoto, hier mit Offset-Rasterung gedruckt

 

Abbildung 6: Ausschnitt aus Abb. 5, Raster Hybrid, 60 L/cm

 

Abbildung 7: Ausschnitt aus Abb. 5, Raster DFTA SuperFM 5Gen, 3x3

Tonwertzuwachs ist ein weiteres - in jedem Druckverfahren - bekanntes Phänomen, nur über dessen Quantifizierung in der Messung gedruckter Rastertöne bestand bis zur Veröffentlichung der ISO 20654 noch komplette Verwirrung (die nach Meinung des Autors bis heute noch nicht vollends behoben ist). Dem Tonwertzuwachs wird bekanntermaßen durch Kompensationskurven entgegengewirkt, aber Kurven können leider in den Lichtertönen nichts ausrichten. Die hellen Töne sind aber für die Umsetzung von Druckmotiven überaus wichtig, denn sie kommen nicht nur am Ende von Verläufen vor, sondern auch in zahlreichen Mischfarbtönen in den fotografischen Bildern. Ist ein Druckverfahren nicht in der Lage, zarte Tonstufen eines Farbauszugs auch mit entsprechend zarten Rastertönen im Druck umzusetzen, dann entstehen farbliche Verschiebungen und harte Abrisskanten. Je ausgeprägter dieses Phänomen vorliegt, desto weniger gut und präzise wird das Farbmanagement funktionieren, womit wiederum der Druck-zu-Proof-Match fraglich ist bzw. einen nennenswerten „Zufalls- bzw. Glücksfaktor“ bekommt.

Der Flexodruck war lange Zeit für genau dieses Phänomen der leider mangelhaften Umsetzung heller Tonwerte im Druck bekannt und dieser Ruf lastet zum Teil auch heute noch auf dem Verfahren. Eine der wichtigsten Erkenntnisse aus den genannten Beobachtungen und Überlegungen lautete für den Autor daher, dass die notwendige Umsetzung sehr heller Daten-Tonwerte in ebenso helle Druck-Rastertöne nur in der Rasterung selbst herbeigeführt werden kann. Damit war eine weitere Rahmenbedingung für die Entwicklung des neuen Rasters die, hierfür Sorge zu tragen.

Dies wurde auch bei anderen DFTA Screens vorher bereits als eines der obersten Ziele gesetzt und berücksichtigt. Wir verfügten also schon über die entsprechenden Kenntnisse und Erfahrungen. Der DFTA Screen V14 SuperFM 5Gen bietet hierzu die Möglichkeit, einen Rastertonwert von lediglich 0,025 % Flächendeckung erfolgreich auf die Druckform zu übertragen, der dann trotz des unvermeidlichen Zuwachses – entsprechende Druckbedingungen vorausgesetzt - mit einem echten Tonwert zwischen 1% und 2 % dauerstabil gedruckt werden kann (auch ohne die allerfeinsten Rasterwalzen, kostspieligsten Druckformen etc.). Die Funktion der Farbprofile für das Farbmanagement wird damit endlich - auch ohne Zufall oder Glück - gewährleistet und das Drucken von Verläufen zum Weiß kann ohne Repro-Tricks in Angriff genommen werden. Die Verwendung „ganz normaler Offset-Farbseparationen“ ist damit ganz nahe gerückt - ein wichtiger Kostenfaktor!

Bisher unbekannte Zusammenhänge gefunden
Das Jahr 2019 wurde im Verpackungsdruck hauptsächlich durch die plötzlich über uns „hereinbrechende Welle“ des digitalen Wasserzeichens im Druckbild (u.a. Digimarc Barcode) geprägt. Das DFTA Technologiezentrum hat sich in kürzester Zeit sehr intensiv in diese neue Technik eingearbeitet, darüber sogar Schulungskurse erarbeitet und sehr viele Erfahrungen gesammelt. Eine dieser Erfahrungen besagt, dass die Lesbarkeit dieses digitalen Wasserzeichens in der Tat von der im Druck verwendeten Rasterung abhängig ist. Wie man es vielleicht erwarten würde, sind dabei feinere AM-Raster gegenüber den Gröberen im Vorteil. Aber wir konnten darüber hinaus noch feststellen, dass es innerhalb der gleich feinen AM-Raster noch deutliche Unterschiede gab, je nachdem, welche der möglichen Rasterungen verwendet wurde (zum Beispiel Circular, Round, SambaFlex, DFTA V6 etc.).

Im Lichte der aktuellen Entwicklungen, zum Beispiel der Weiterführung des Holy Grail Projekts (Förderung des Recyclings) und der bereits erfolgten Selbstverpflichtung eines großen Markenartikelunternehmens, sollte man nach Meinung des Autors sicherheitshalber davon ausgehen, dass sich solche digitalen Wasserzeichen im Verpackungsdruck mittelfristig etablieren werden. Allerdings kann ich mir nicht vorstellen, dass dies mit den vom ursprünglichen Treiber NETTO etablierten Regeln (nur zwei Enhancer, NETTO bestimmt die Aufteilung) weitergehen wird. Insbesondere glaube ich nicht, dass die aktuell assoziierten Mehrkosten dauerhaft auf die zu verpackenden Produkte umgelegt werden, sondern Letztenendes wieder in der Herstellungskette der Verpackung landen. Soll heißen, wir Verpackungsdrucker müssen uns schließlich überlegen, wie wir die Kosten dieser Technik minimieren.

Eine Möglichkeit, die der Autor von Anfang an in seinen zahlreichen Versuchen evaluiert hat, ist die flächige Überlagerung eines kompletten Motivs mit dem Digimarc Barcode Muster (im Gegensatz zur aktuell praktizierten, sehr aufwendigen Methode der „selektiven Aussparung“). Damit das aber den ästhetischen Minimalvorstellungen der Drucksacheneinkäufer genügen kann, muss man zwingend einen nadelspitzen Lichterton dauerhaft stabil drucken können. Der Offsetdruck ist dabei unser Vorbild. Eine ganze Reihe von AM-Rastern scheitern dann aber bereits genau an dieser Hürde. Der kleinste Rasterpunkt, den man mit ihnen drucken kann, fällt einfach zu groß aus und damit ist der „Schleier“, den der Digimarc Barcode über das Motiv zieht, einfach viel zu dominant. Die Realisierung eines sehr feinen kleinsten Drucktonwerts war für den DFTA Screen V14 oberste Bedingung (und wurde wie oben geschildert auch erreicht).

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