Fachartikel

Was der Flexodruck auf dem Weg zum voll-industriellen Verfahren noch braucht

von Prof. Dr. Martin Dreher

Der Flexodruck hat sich in den vergangenen Jahren äußerst positiv entwickelt und ist inzwischen zu Recht das weltweit dominierende Verpackungsdruckverfahren. Dennoch sind nach Ansicht des Autors weitere Schritte nötig, um eine wirklich voll-industrielle Produktion zu realisieren. Trifft seine Vision der Zukunft des Verpackungsdrucks zu, dann hat der Flexodruck großartige Aussichten, muss allerdings dafür auch noch etwas „an sich arbeiten“.

Verpackungsdruck bis 2050
Meine Roadmap für den Verpackungsdruck , die hier zum Verständnis der späteren Erfordernisse vorangestellt werden muss, basiert auf einigen Annahmen darüber, welche Umgebungsseinflüsse heute und in den kommenden Jahren die Entwicklung der Druckverfahren im Verpackungsbereich beeinflussen werden. Ein sehr wesentlicher Einfluss kommt mit dem so genannten Digitaldruck auf uns zu, der gegenwärtig deutlich „over-hyped“ ist. Weitere wichtige Faktoren sind der zunehmende Onlinehandel, also die Bestellung von Waren über das Internet unter Umgehung des Präsenzhandels, die Integration des Druckens in die Verpackungslinien bzw. Abfüllanlagen, die Datenbrillen und der so genannte 3-D Druck.

Während die vorgenannten Aspekte tendenziell als Bedrohung angesehen werden können, gibt es andererseits auch deutliche positive Vorzeichen. So werden Verpackungen wohl immer als physisches Objekt dort benötigt, wo ein Produkt verpackt werden muss. Die Substitution durch die digitalen Medien droht uns somit nicht. Allenfalls durch den 3-D-Druck, der potenziell jeden Heimanwender in die Lage versetzt, nahezu jegliches Objekt selbst herzustellen. Da ich mir jedoch nicht vorstellen kann, dass das jemals für alle heutigenMassengüter angewendet wird, sehe ich diese Bedrohung des Verpackungsmarktes als eher gering an.

Wo gegenwärtig die konventionellen Druckverfahren dominieren, wird vermutlich in den nächsten fünf Jahren ein nennenswerter Anteil von Verpackungen im Digitaldruck stattfinden. Zwar setzen die konventionellen Verfahren, darunter unter anderem der Flexodruck, die Standards für die Druckqualität und vor allem die Erfüllung der teils komplexen physikalischen, chemischen und technischen Anforderungen, jedoch haben die teils recht hohen Mindestbestellmengen konventioneller Druckverfahren und die Lieferzeiten (vornehmlich Tiefdruck) einerseits, sowie die immer kleiner werdenden Einzelauflagen und die geforderte Flexibilität andererseits inzwischen ganz schön viel „Leidensdruck“ erzeugt. Das entlädt sich im Moment in das besagte Over-Hyping des Digitaldrucks.

In meinen Augen plausibel, zugegebenermaßen aber spekulativ, ist die Annahme, dass der zunehmende Onlinehandel zu einer Vereinfachung der grafischen Gestaltung vieler besonders davon betroffener Verpackungen führen wird . Möglicherweise erleben wir deswegen dann eine abnehmende Anzahl verwendeter Druckfarben oder die Verwendung fester Farbpaletten mit mehr als vier Prozessfarben, worauf im Folgenden noch gesondert eingegangen wird. Es gibt allerdings auch gegenteilige Annahmen. Die generelle Tendenz dürfte sich bis zum Jahr 2022 gezeigt haben.

Bis etwa zum Ende des dritten Jahrzehnts erwarte ich, dass Verpackungen überwiegend zunächst in ganz kleinen Mengen produziert und sozusagen erst einmal am Markt ausprobiert werden. Die drucktechnische Dekoration wird dann typischerweise mit einem digitalen Druckverfahren passieren. Aber auch dann wird es im Erfolgsfall, vielleicht sogar noch stärker als heute, um die Kosten der Massenvervielfältigung gehen und hier werden die konventionellen Verfahren, allen voran der Flexodruck, immer noch unschlagbar sein. Ein paar Voraussetzungen gilt es bis dahin dann aber noch zu erfüllen.

Einen recht großen Unsicherheitsfaktor stellt in meinen Betrachtungen die Integration des Druckens in die Abfüllanlagen und Verpackungslinien dar. Je mehr dies tatsächlich stattfindet, desto mehr Digitaldruck wird dementsprechend praktiziert werden . In jedem Fall wird der Flexodruck jedoch bis dahin in der Lage sein müssen, ausgearbeitete Grafikdaten aus anderen Verfahren, insbesondere dem Digitaldruck, nahtlos übernehmen zu können. Hierauf werde ich im weiteren Verlauf noch einmal zurückkommen.

Im Verlauf des vierten Jahrzehnts erwarte ich, dass die digitalen Verpackungsdruck-Anwendungen weitestgehend in die besagten Abfüllanlagen und Verpackungslinien integriert worden sind, es aber dennoch spezialisierten „Offline-Verpackungsdruck“ mit konventionellen Verfahren geben wird. Die schiere Menge benötigter Verpackungen spricht allein schon dafür. Man wird spätestens dann von einer gegenseitigen Ergänzung digitaler und konventioneller Druckverfahren ausgehen können.

Obwohl heute schon teilweise möglich und präsent, erwarte ich durchgreifende Veränderungen unseres Lebens durch die so genannten Datenbrillen erst im fünften Jahrzehnt. Das durch die Kinofilme der Matrix-Reihe bekannt gewordene Szenario erübrigt es, jegliche Oberfläche physisch zu dekorieren, solange es nur um visuelle Eindrücke geht. Bedruckungen von Verpackungen wären in solch einem Fall überflüssig, genau wie beispielsweise farbige Wandtapeten oder Lackierungen von Fahrzeugen. Aber selbst in diesem, wie ich finde, Horrorszenario wird es immerhin noch physische Verpackungen geben, die die enthaltenen Produkte schützen müssen und ich gehe davon aus, dass dann auch noch viele dieser Verpackungen eine ganz normale drucktechnische Dekoration erhalten. Der große Renner wird der Verpackungsdruck dann zwar wohl nicht mehr sein, aber bis dahin stehen uns noch eine lange Reihe sehr erfolgreicher Jahre bevor.


Was sich verändern wird

Der Flexodruck ist seit vielen Jahren auf einem guten Weg und hat sich prächtig entwickelt. Gerade die jüngsten Neuheiten auf Seiten der Druckformen (sog. Flat-Top-Druckplatten, insbesondere die „automatische“ Variante) garantieren neben der Vereinfachung und dem Potenzial zur Einsparung von Kosten vor allem auch eine noch höhere Stabilität und Zielsicherheit, eine der Grundvoraussetzung für industrielle Produktion. Die Verzahnung zwischen Druckvorstufe und Druckerei hat dabei zwar noch Luft nach oben, wird aber durch den nachfolgenden Vorschlag eines Branchen-Standards voraussichtlich auch industrialisiert.

Treffen meine Einschätzungen der zukünftigen Entwicklungen im Verpackungsdruck zu, dann werden wir im Flexodruck zunehmend Designs erleben, die schon vorher einmal mit einem digitalen Verfahren für die drucktechnische Dekoration einer Verpackung verwendet worden sind.

Typischerweise - das ist eine der Einschränkungen des Digitaldrucks - wird dabei mit einer festen Farbpalette von sechs oder sieben Grundfarben gearbeitet und Sonderfarben sind extreme Ausnahmen. Mit solchen Druckdaten müssen wir dann auch im Flexodruck umgehen können. Aus Kostengründen muss auf eine aufwändige Umarbeitung der Druckdaten verzichtet werden.

Im Schlepptau der vorgenannten Mehrfarbseparationen mit festen Farbpaletten von mehr als vier Grundfarben kommen auch Bildseparationen nach dem so genannten Unbuntaufbau ins Spiel. Werden in einem fotografischen Bild mehr als die üblichen vier CMYK Druckfarben verwendet, stellt sich sofort die Frage nach den verwendbaren Rasterwinkelungen. Deren begrenzte Verfügbarkeit macht es notwendig, dass alle tertiären Farbbestandteile ausschließlich durch Schwarz erzeugt werden, anstatt wie beim Buntaufbau durch die entsprechende Gegenfarbe im Farbkreis. Einen Unbuntaufbau gut zu drucken erfordert ein sehr sattes Schwarz, das keine erhöhte Tonwertzunahme verträgt. Mit dieser Vorgehensweise müssen sich zahlreiche Flexodruckereien erst einmal vertraut machen.

Lohnenswert sind diese Anstrengungen für die Druckereien durchaus, denn die damit zusammenhängenden Vorteile des geringeren Verbrauchs teurer Buntfarben und der geringere Wechsel von Druckfarben in der Druckmaschine sind beachtlich.

Für die korrekte Funktion der vorgenannten Mehrfarbseparationen ist allerdings auch ein sehr guter Passer zwischen den Teildruckfarben notwendig. Dessen Erreichung ist vor allem bei großen Formaten oder Aufträgen mit vielen einzelnen Nutzen sehr schwierig.

Die entsprechenden Hersteller verweisen an dieser Stelle gerne auf die so genannten Runddruckformen, dies bringt meiner Meinung jedoch andere Einschränkungen mit sich, weshalb die montierten Druckplatten zu favorisieren sind. Es wird sich zeigen, ob die automatische oder halbautomatische Montage mittels entsprechender Maschinen hierbei noch Verbesserungspotential mitbringt. Notwendig wäre dies sicherlich.

Ebenfalls im Schlepptau der Mehrfarbseparationen kommt die Notwendigkeit, die zusätzlichen Farbkanäle auch effizient in der Farbmanagement einzubinden. Die vorherrschende Strategie, die entsprechenden Testformen einfach inflationär zu vergrößern, muss ich trotz nachgewiesener technischer Funktion stark kritisieren. Die Testformen sind nämlich inzwischen zum Teil so groß geraten, dass man sie gar nicht mehr als einzelnen Job auf einem Format drucken kann. Hier sind clevere Vereinfachungen notwendig, die ich im Markt bereits erkennen kann und womit ich auch schon selbst gute Erfahrungen gemacht habe. Intelligent aufgebaute Mini Testformen scheinen mir hier eine plausible Lösung zu sein.

Zur nahtlosen Verbindung zwischen Druckvorstufe, Druckerei und Endkunde bedarf es für mich auch noch verstärkter Einführung von Inline Farbmessung in den Druckmaschinen. Damit lassen sich nicht nur die Druckfarben während der Produktion plausibel kontrollieren, sondern auch noch Rückmeldungen über die Qualität der Farbprofile an die Druckvorstufe erzeugen, so dass ein kontinuierlicher Verbesserungsprozess ermöglicht wird. Durch enge Verbindungen mit 100%-Inspektionssystemen kann auch dem Kunden die gewonnene Zuverlässigkeit nachgewiesen werden.

In Druckvorstufe und Druckerei, vor allem in den Druckmaschinen selbst, wird es weitere Automatisierungen geben müssen. Auch hierbei sind wir im Flexodruck auf einem sehr guten Weg, in dem zahlreiche Einstellungen und Rüstvorgänge inzwischen automatisch erledigt werden. Die Erstellung von perfekten Farbrezepten für Sonderfarben bereits außerhalb der Druckmaschine scheint mir allerdings nach wie vor eine gewisse Schwachstelle zu sein, auch wenn diese durch die besagte Hinwendung zu dem Mehrfarbseparationen eventuell im Laufe der Zeit an Bedeutung verliert.

In Zeiten des besagten Over-Hyping des Digitaldrucks müssen wir natürlich explizit weiter an den Kosten der Druckvorstufe arbeiten. Dazu gehört aber nicht nur die Bearbeitung der Bilddaten in der Repro, sondern auch die Herstellung der benötigten Druckformen. Die bereits angesprochene Verfügbarkeit von so genannten (Auto-) Flat-Top-Druckplatten hat hierbei viel Gutes bewirkt. Auch das DFTA-Technologiezentrum ist hier mit seinen Vorschlägen und Technikstudien tätig. Die Suche nach Kostenersparnismöglichkeiten in der Druckvorstufe hängt im Übrigen sehr stark mit dem folgenden Aspekt zusammen:

Der größte und bedeutendste Schlüssel zur Industrialisierung steckt meiner Meinung nach in der Druckqualität bzw. speziellen Teilaspekten davon. Damit meine ich insbesondere den Hochlichtbereich im Rasterdruck. In dieser Hinsicht muss der Flexodruck zwingend das Niveau des Offsetdrucks erreichen und sozusagen einen echten 1%-Ton jederzeit und langzeitstabil drucken können. Das ist unter anderem DIE Voraussetzung dafür, Druckdaten mühelos verwenden zu können, auch wenn diese vielleicht für andere Druckverfahren erzeugt worden sind. Denkt man diese Frage konsequent zu Ende, dann ist die Erzielung eines perfekt linearen Druckverhaltens im Hochlichtbereich nicht nur eine Qualitätsfrage an sich, beispielsweise im Hinblick auf zarte Ausläufe. Lineares Druckverhalten ist vor allem die Grundvoraussetzung dafür, verlässliches Farbmanagement mit zuverlässiger Vorhersage des Endergebnisses praktizieren zu können und letzten Endes damit nahtlos an andere Verfahren andocken zu können. Das erscheint in meinem Zukunftsszenario dringend geboten.

Die nebenstehenden Abbildungen verdeutlichen diesen Sachverhalt. Während der Flexodruck, wie in der oberen Grafik stark übertrieben dargestellt, nach wie vor mit relativ hohen erstdruckenden Tonwerten operiert und damit weite Teile im Inneren des Farbraums unzugänglich werden lässt, wird die in der unteren Grafik dargestellte Harmonie auch in den zartesten Tönen benötigt. Erfreulich viele Flexodruckereien beherrschen dieses Feld bereits heute, dies muss jedoch noch wesentlich mehr Verbreitung in der Branche finden.

Die wohl inzwischen größte „Baustelle“ der Flexodruckereien, die einer Industrialisierung mehr als alles andere im Wege steht, ist das Fehlen eines Branchenstandards für die Farbkommunikation. Zwar haben wir seitens der DFTA aus unserem Arbeitskreis Technik einen Leitfaden für dieses Thema herausgebracht, aber entsprechende Farbprofile, die sozusagen die verbalen Vorgaben in farbliche Anmutung übersetzen, fehlen bis heute.

Das hat bedauerlicherweise zu einer gewissen „Anarchie“ in der Druckvorstufe geführt. Da inzwischen viele Einkäufer mit einer so genannten Zentralrepro zusammenarbeiten, die ihrerseits Anhalts punkte für ihre Ausarbeitungen der Druckdaten benötigt, haben die „Zentralrepros“ sich unter Zuhilfenahme der Marktmacht, die sie zusammen mit ihren Kunden repräsentieren, zur eigenen Normungsinstanz aufgeschwungen und machen den Druckereien Vorgaben für die Ausführung des Drucks. Das ist vor allem deshalb verwerflich und kontraproduktiv, weil diese Vorgaben leider sehr uneinheitlich sind. Eine Druckerei, die üblicherweise für zahlreiche verschiedene Kunden druckt, muss damit ständig ihre Einstellungen verändern. Mal wird eine höhere, mal wird eine niedrigere Dichte der Prozessfarben gefordert, der gewünschte Farbort kann auch total differieren und die Vorgaben für die Tonwertzuwächse sind auch höchst unterschiedlich (siehe nebenstehende Grafiken). Alle Anpassungen müssen wohlgemerkt an der kostspieligsten Maschine im ganzen Prozess, der Druckmaschine, passieren, sobald eine Druckerei für mehrere Kunden arbeitet, die von verschiedenen Zentralrepo-Agenturen vertreten werden.

Standard-Farbprofile können hier potenziell Abhilfe leisten, beinhalten aber große Gefahren technischer und kommerzieller Art, wenn sie nach einem falschen Konzept gemacht und publiziert werden. Der Offsetdruck bietet hierbei ein keinesfalls nachahmenswertes Beispiel. Inzwischen gibt es im Flexodruck aber außer den schon länger vorhandenen alternativen Konzepten, die die Fehler aus dem Offsetdruck vermeiden, nun auch die Technologie, um solche Standard-Farbprofile plausibel zu erstellen. Deren Ausarbeitung wird voraussichtlich eine Arbeitsgruppe aus dem DFTA-Arbeitskreis Technik in den nächsten Wochen in Angriff nehmen. Der Flexodruck an sich und insbesondere die Druckereien werden hiervon stark profitieren.

Fazit

Der Flexodruck ist bereits sehr weit vorangekommen, hat aber noch einige mehr oder weniger große „Baustellen“ auf dem Weg zum voll-industriellen Druckverfahren vor sich. Ein Teil hiervon hat mit dem zu vermutenden Andocken an andere Verfahren, vor allem den Digitaldruck, zu tun. Dessen gegenwärtiges Over-Hyping wird, sobald die Euphorie durch die Realitäten entsprechend gedämpft worden ist, zu zusätzlichen geschäftlichen Möglichkeiten und nochmals verbesserter Reputation für den Flexodruck führen, wenn er die genannten „Hausaufgaben“ erledigen kann.

 


Das DFTA-Technologiezentrum

Im DFTA-Technologiezentrum an der Hochschule der Medien in Stuttgart arbeiten Experten an der Zukunft des Flexodrucks. Schwerpunkt sind anwendungsbezogene Forschungen sowie die Aus- und Weiterbildung auf dem Gebiet des Flexodrucks in der integrierten DFTA Flexodruck Akademie.

Alle Informationen zum DFTA-Technologiezentrum finden Sie hier.

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