Fachartikel

Eigentlich gar nicht überraschend – oder?

Druckt man eine jeweils identische Farbschicht auf verschiedene Bedruckstoffe, dann verändert sich die Anmutung der empfundenen Farbe teils signifikant. Für den Fachmann ist das scheinbar eine triviale Erkenntnis - oder doch nicht? Im Rahmen eines Projektes lernte eine Gruppe Studierender der Hochschule der Medien HdM, Master-Studiengang Packaging Design Management PDM, diesen Sachverhalt in eigener Anschauung kennen und entdeckte dabei dann doch einige - auch für den Fachmann! - überraschende Erkenntnisse (siehe Markierungen).

Das Ausmaß des o.g. Sachverhaltes lässt sich zwar theoretisch bestimmen, aber nichts ist so lehrreich und nachhaltig wie die „eigenhändige“ Erfahrung. Diese Weisheit bewahrheitete sich in dem besagten Projekt überaus drastisch für eine kleine Gruppe von Master-Studierenden an der HdM Stuttgart. Grobe Zielsetzung war es, einen selbst festzulegenden Farbton in mehreren verschiedenen Druckverfahren auf einem Bedruckstoff abzustimmen und dann – unter ansonsten identischen Einstellungen – mehrere weitere Substrate mit derselben Farbschicht zu bedrucken. Auf dem „Weg“ hierzu musste zunächst das betreffende Druckverfahren analysiert und beschrieben werden. Mit Rücksicht auf die Begrenzungen in der studentischen Verfügbarkeit und dem Lehrdeputat des Dozenten musste eine parallele Bearbeitung in 5 kleinen Einzelgruppen von 2 bis 3 Studierenden praktiziert werden, wobei die Studierenden ihr bevorzugtes Druckverfahren selbst wählen durften. Die Wahl fiel dabei auf den elektrofotografischen Digitaldruck, den Tintenstrahldruck, den Tiefdruck, den Siebdruck und den Flexodruck.

In dieser Auswahl stellte der elektrofotografische Digitaldruck die striktesten Anforderungen an den Bedruckstoff, da auf der verwendeten Druckmaschine HP Indigo 5r nach Hersteller-Maßgabe nur zertifizierte Substrate eingesetzt werden durften. Daher wurden aus dem hierfür vorhandenen Portfolio vier Materialien ausgewählt, die als Standard-Bedruckstoffe auch für die Druckverfahren Tintenstrahl-, Tief- und Siebdruck eingesetzt werden sollten. Der Flexodruck, der bekanntermaßen eine sehr große Bandbreite an möglichen Bedruckstoffen besitzt, war hier etwas „außen vor“, weil er als einziges Verfahren dieser Auswahl bahnförmig ausgeübt wurde (die „Indigo-Materialien“ jedoch hierfür nur teilweise rollenförmig verfügbar waren). Die folgende Tabelle zeigt die wichtigsten Eckpunkte der Gegenüberstellung.

 

Legende für die Substrate. (1)=einseitig gestrichener Faltschachtelkarton, Vorderseitendruck; (2)=wie (1), Druck auf ungestrichene Rückseite; (3)=optisch stark aufgehelltes Papier; (4)=Transparentfolie; (5)=Graskarton; (6)=LD-PE-Folie, weiß; (7)=einseitig gestrichenes Rollenpapier, Vorderseitendruck; (8)=wie (7), Druck auf ungestrichene Rückseite; erster Eintrag=Referenzmaterial der betreffenden Arbeitsgruppe.

 

Abbildung 1: Projektteilnehmer

Abb. 1: Bildunterschrift oder separater Kasten: vlnr, Prof. Dr. Martin Dreher (Dozent), Hr. Marvin Brand, Fr. So Hyeon Kim, Fr. Vanessa Angelina Hoffer, Fr. Anja Zäpernick, Fr. Sophia Huber, Hr. Dennis Schlonsok, Fr. Thi Nhu Nguyet Nguyen, Fr. Eva-Marie Frank, Fr. Felicia Kopitzke, Fr. Daniela Betz, Fr. Henriette Annabel Walter

Die – wenn auch unvollständige – Kombination der hier angewendeten Druckverfahren erwies sich in mehrerlei Hinsicht als gut geeignet, um den Studierenden möglichst viele Erkenntnisse über den Verpackungsdruck zu ermöglichen. Zum einen handelt es sich dabei sowohl um Druckverfahren, die mit einer festen Palette von Prozessfarben drucken müssen (Elektrofotografie und Tintenstrahldruck), als auch um welche, die solche Aufgaben (besonderer, genau definierter Farbton) üblicherweise mittels einer sog. Sonderfarbe lösen (Tiefdruck, Siebdruck, Flexodruck). Zumal eine Nebenbedingung der Aufgabenstellung für die konventionellen Druckverfahren einen einfarbigen Druck vorschrieb, waren diese im vorliegenden Fall in der Tat gezwungen, den Weg über eine Sonderfarbe gehen.

Als erste, auch für den Druckfachmann relevante Erkenntnis ergab sich hieraus, dass die Bearbeiter der beiden erstgenannten Druckverfahren zunächst herausfinden mussten, welche Zusammensetzung der Prozessfarben CMYK den spezifizierten Zielfarbton (Rosa der Ritter Sport Schokolade Joghurt-Erdbeere) auf dem jeweiligen Referenz-Bedruckstoff am besten treffen würde. Diese beiden Arbeitsgruppen hatten sich daher mit dem sog. (digitalen) Farbmanagement zu befassen. Sie beschritten dabei unterschiedliche Wege. Die „Indigo-Gruppe“ löste die Aufgabe erfolgreich durch einen gezielten Einblick in das von der Druckmaschine verwendete Farbprofil ISO Coated V2. Dessen Look-up-Tables (LUT) zeigen die Zusammenhänge zwischen den jeweiligen CMYK-Tonwerten bzw. –Kombinationen und den hiermit erzielten Farben im CIELab-Farbraum. Besitzt man die Spezifikation des Zielfarbtones in Form von Lab-Farbwerten, dann kann man in den besagten LUT Tabellen die passende CMYK-Kombination ablesen.

Drei besondere Schwierigkeiten waren hierbei allerdings zu überwinden. Zum Ersten musste die Wirkungsweise des Farbmanagements im HdM-Workflow verstanden und entsprechend eingestellt werden (was gar nicht so trivial war, zumal die Maschine anfangs bspw. jegliches einfarbiges Schwarz durch 4-farbigen Druck darstellen wollte). Zweitens ist nach der o.g. Ablesung aus der LUT üblicherweise eine Matrizenrechnung oder Interpolation notwendig, denn auch die höchstauflösende LUT wird den Zielfarbton normalerweise nicht identisch, sondern nur näherungsweise enthalten (die Interpolation kann ggf. durch Software im Hintergrund gemacht werden, sodass der Bediener davon nichts wahrnimmt). Und drittens stellte sich im vorliegenden Fall heraus, dass der Zielfarbton außerhalb des ISO Coated V2-Farbraumes lag, weswegen dessen Erreichung einerseits nicht perfekt gelingen würde, andererseits aber die besagte Interpolation entfallen konnte.

Die „Tintenstrahl-Gruppe“ wählte zur Lösung der Farbmanagement-Aufgabe einen grundsätzlich anderen Weg. Ein vom Dozenten ehemals für die Berechnung der Grau-Bedingung entwickeltes System aus Hexagon-Testdruckform (s.h. Abb. 3) und Matrizenrechnung wurde für die zielsichere Findung der CMYK-Tonwerte adaptiert, die den Druck zu einer optimalen Übereinstimmung mit dem Zielfarbton bringen konnten. Hiermit gelang eine besonders schnelle Ermittlung der „Ziel-Tonwerte“ und eine sehr gute Zielgenauigkeit.

Dennoch ergab sich auch hieraus Wissenswertes für den Druckfachmann. Es zeigte sich nämlich, dass die Feinheit der Steuerung von Zielfarben, die in einem solchen Druckmechanismus mit festen Prozessfarben möglich ist, leider durch die „Auflösung“ der digitalen Daten begrenzt wird. Ihrer „Natur“ nach sind digitale Halbtonwerte diskrete Zahlen in einem Zahlenraum von 0 bis 255. „Justagen“ eines Farbtones um eine Tonwertstufe einer Prozessfarbe, die mit ca. 0,4% (=100/255) zwar recht fein aussehen, lassen Farbtöne manchmal bereits zu deutlich „kippen“. Diese Erkenntnis wird vermutlich bei der zukünftigen Umsetzung des Drucks mit fester Farbpalette im Verpackungsdruck – sollte dies wie von manchen Marktteilnehmern prognostiziert eintreten – noch eine gewichtige Rolle spielen.

Als weitere wichtige Erkenntnis – auch für den Druckfachmann – kann als Lehre aus den Versuchen der „Indigo-Gruppe“ gezogen werden, dass bei Farbtönen, die durch Rastermischung entstehen, der Tonwertzuwachs das farbliche Ergebnis massiv beeinflusst. Da bei nahezu allen Druckverfahren der Tonwertzuwachs im Rasterdruck vom Substrat (mit) abhängt, kann dies als die vermutlich wichtigste technische Erkenntnis des gesamten Projekts betrachtet werden. Zur Verdeutlichung sei auf die farblichen Unterschiede der Druckergebnisse der „Indigo-Gruppe“ verwiesen (zweite Spalte in Abbildung 7).

Demgegenüber mussten sich die drei Arbeitsgruppen der konventionellen Druckverfahren mit Farbrezeptierung auseinandersetzen, die ggf. auch digital unterstützt ablaufen durfte (was aber nur in einem Fall praktiziert wurde). Als weitere nützliche Erkenntnis für den Druckfachmann kann hier zwischenzeitlich konstatiert werden, dass die Unterscheidung zwischen (digitalem) Farbmanagement und

Farbrezeptierung (für Sonderfarben) in der drucktechnischen Praxis zwar gelebt, aber in den Fachveröffentlichungen mitunter verwischt wird (gerade, wenn bspw. Druckfarbenhersteller gerne mal von Farbmanagement sprechen, aber in Wirklichkeit Ink Management oder Farbrezeptierung meinen). Der Leser möge sich bitte über diese Differenzierungen ggf. Gedanken machen!

Das Rezeptieren der Druckfarben erfolgte in den drei Gruppen der analogen Druckverfahren - nicht zuletzt aufgrund absichtlich offener Regeln - auf höchst unterschiedliche Art und Weise. Während für den Flexodruck nur die Grundfarben CMYK für die Mischung zur Verfügung standen, hatte der Tiefdruck darüber hinaus die Farben OGV parat. Im Tiefdruck wurde daher auch mit Unterstützung einer Software für die Rezepturberechnung gearbeitet. Eine der hieraus entstehenden Erkenntnisse für den Fachmann war, dass man solche Rezepte mit möglichst wenigen Grundfarben anlegen sollte, weil die entstehende Farbe ansonsten immer mehr zur Verschwärzlichung neigt. Zugegebenermaßen eine bereits bekannte Erkenntnis, an die man sich in der Flexodruckgruppe quasi automatisch halten musste, weil eben nur die Prozessfarben als Grundfarben zur Verfügung standen.

Im Siebdruck dagegen begann die Gruppe bereits in der ersten Stufe mit einem sehr hohen Anteil von Deckweiß in der Mischfarbe zu arbeiten, was im Siebdruck durchaus allgemein üblich ist. Die resultierende Farbe stellte sich damit als ziemlich unabhängig von ihrem Untergrund heraus, wie in Abbildung 7 deutlich zu sehen ist. Auch das ist durchaus eine bekannte Tatsache für den Fachmann, jedoch kann das hier erlebte Ausmaß doch noch dem einen oder anderen ein gewisses Aha-Erlebnis vermitteln. Motive mit 

ausschließlichen Vollflächen in der Sonderfarbe können hiervon tatsächlich profitieren, aber das gewählte Testmotiv mit Aussparungen und Halbtönen wirkte auf dem farblich als extrem zu bezeichnenden Graskarton eher wie ein Fremdkörper. Im praktischen Normalfall würde man wohl eher eine weiße Fläche zuvor drucken und dann das rosafarbene Motiv darüber. Als wesentliche Erkenntnis für den Fachmann kann hier also der visuelle Eindruck aus der Abbildung 7, insbesondere auf dem Graskarton, hervorgehoben werden, wo sich die verschiedenen Druckverfahren extrem voneinander unterscheiden.

Alle drei mit den konventionellen Druckverfahren befassten Arbeitsgruppen konnten schließlich auch noch bestätigen, dass Magenta, falls es als Ausgangspunkt für die vorliegende Soll-Sonderfarbe verwendet wurde, beim Verschneiden immer mehr ins Bläuliche abdriftet, sodass mit der Zugabe von gelben Farben gegengesteuert werden musste. Auch das ist eine dem Fachmann durchaus bekannte Tatsache, die hier lebhaft bestätigt werden konnte.

 

Fazit

Für die Studierenden ergab sich hier einen Reigen von wesentlichen Anschauungserkenntnissen, die man nun in die Praxis der Verpackungsherstellung mitnehmen wird. Die wahrscheinlich nachhaltigste hiervon war wohl die Einsicht, dass es leider gar nicht mal so einfach ist, einen spezifizierten Ziel-Farbton genau genug zu erreichen. Zumal die Studierenden mit einer nicht unerheblichen Wahrscheinlichkeit bei Verpackungsnachfragen arbeiten werden, können sie nun den Verpackungslieferanten mit mehr Sachverstand, aber auch mit etwas mehr Verständnis, gegenübertreten.

 

Stuttgart, Januar 2019

Prof. Dr. Martin Dreher

Wissenschaftlicher Leiter DFTA-Technologiezentrum KG

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