Fachartikel

Ist die Graubalance nutzlos geworden?

von Prof. Dr. Martin Dreher

Auch wenn die Ursprünge schon einige Jahre zurückliegen, die G7 „Initiative“ scheint jetzt erst auf breiterer Front in Europa bzw. im Flexodruck Verbreitung zu finden. G7 basiert sehr stark auf der Graubalance. Der Autor möchte hier diesbezüglich offene Fragen klären und seine Vision der Vorgehensweise bei der Optimierung von Druckbedingungen im Flexodruck darstellen.

Im Konzert der großen Verpackungsdruckverfahren ist der Flexodruck eindeutiger Gewinner der vergangenen Jahre, was die technischen Weiterentwicklungen und das Marktwachstum betrifft. Das wird wohl auch in den kommenden Jahren anhalten, aber es sind durchaus einige Aufgaben zu erledigen. Eine davon betrifft die Kosten der Druckvorstufe. Die Aufbereitung der Druckdaten verursacht hier einen relativ großen (zeitlichen) Aufwand, gepaart mit der Notwendigkeit zu umfangreichem spezifischem Fachwissen. Hauptauslöser hierfür ist der erhöhte erstdruckende Punkt, mit dem viele Flexodruckereien immer noch rechnen müssen. Die dadurch drohenden Tonwertabrisse und „Aussetzer“ in den autotypisch zu erzielenden Mischfarben machen umfangreiche verfahrensspezifische Retusche des 4C-Bildmaterials notwendig. An der zweifellos notwendigen Absenkung des erstdruckenden Tonwerts wird daher zu Recht seitens der Systemlieferanten und Druckereien intensiv gearbeitet. Auch das DFTA-Technologiezentrum hat seine eigenen technischen Lösungen für die DFTA Mitglieder entwickelt (DFTA Raster 4.0, Signalelemente für die Druckbeistellung, DFTA Planoflex, etc.) und druckt inzwischen alle internen Projekte mit einem linearen Tonwertverlauf - folglich ohne jegliche verfahrensspezifische Anpassung der Bilddaten.

Der Anfang ist gemacht…
Aber auch, wenn die Flexodruckereien auf breiter Front dieses Qualitätsniveau erklommen haben werden, die nächste Hürde auf dem Weg zu noch mehr Marktanteil wartet schon. Die Übertragbarkeit von bereits bestehenden Bilddaten aus anderen Druckverfahren oder Druckbedingungen ist nämlich nicht alleine durch den (erhöhten) erstdruckenden Rastertonwert erschwert, sie wird heute auch durch Abweichungen in der Graubalance behindert. Hier kommt uns wahrscheinlich die G7-Herangehensweise zu Hilfe. Mit G7 wird die Graubalance in den Mittelpunkt des Interesses gerückt. Die Graubalance ist die Tonwerteinstellung der bunten Teildruckfarben Cyan, Magenta und Gelb, die im Zusammendruck Neutralgrau ergibt. Da sich die Anteilsverhältnisse dieser drei Farben über das Spektrum verschiedener Grau Tonwerte hinweg unterscheiden können muss die Graubalance zweidimensional erfasst und berücksichtigt werden (siehe Abbildung 1 – einfügen XY-Diagramm einer möglichen Graubalance).
Die Graubalance kann als stabiler Eckpfeiler der Bildreproduktion und damit des Mehrfarbendrucks betrachtet werden. Im Gegensatz zu gesättigten Buntfarben ist das menschliche Auge für Grautöne bzw. deren mögliche Farbstiche sehr empfindlich, weswegen entsprechende Gegenmaßnahmen bei der Aufbereitung des Bilddatenmaterials getroffen werden müssen. Weicht nun der eine Druckprozess diesbezüglich gravierend von dem anderen ab, müssen die Bilddaten beim Wechsel entsprechend modifiziert werden, was den o.g. hohen Aufwand teils erklärt. Halten dagegen beide Prozesse die Graubalance gut ein können Bilddaten mit minimalem Aufwand übertragen werden (abgesehen vom o.g. erstdruckenden Tonwert).

Der Vollständigkeit halber soll hier betont werden, dass die Übertragung von Bilddaten in einen anderen Druckprozess NICHT empfohlen werden kann, wenn diese bereits für einen Druckprozess aufbereitet sind. Stattdessen sollten die Ursprungsdaten (bspw. Bilder im RGB-Format) übertragen und neu aufbereitet werden, denn außer erstdruckendem Tonwert und Graubalance beinhaltet die Aufbereitung für einen Druckprozess auch die sog. Farbseparation, also die Zusammensetzung von Mischfarben mit mehr oder weniger großer Beteiligung des Schwarz-Kanals, welche sich zwischen den Druckprozessen teils erheblich unterscheiden kann. Aber da wir beständig aus den Agenturen bereits Datenmaterial erhalten, das für den Offsetdruck „personalisiert“ worden ist indem die Bilder mit dem Farbprofil ISO Coated V2 umgewandelt wurden, ist es nun einmal de facto so, dass wir Bilddaten eines anderen Druckverfahrens (mühsam) in den Flexodruck übertragen müssen. (Der DFTA Arbeitskreis Technik arbeitet an einer entsprechenden Leitlinie.)

Abbildung 1: Die Graubalance eines exemplarischen Druckprozesses

 

Digitales Farbmanagement kann Fehler verschleiern!
Die Orientierung an der Graubalance kann hier deutliche Erleichterungen bewirken. Dieses Wissen ist nun aber nicht neu, warum ist es also scheinbar in Vergessenheit geraten? Der Grund liegt in der Anwendung von digitalem Farbmanagement in der Druckvorstufe, worin der gesamte Farbraum – nicht nur die Grauachse, aber diese eben auch – betrachtet wird. Es scheint damit nicht mehr notwendig, die Graubalance separat zu optimieren. Dem möchte ich jedoch entschieden widersprechen! Gerade weil in einem Farbprofil alles miteinander verrechnet wird – ein möglicherweise viel zu hoher Tonwertzuwachs ebenso wie eine gestörte Graubalance – wird dadurch der Blick auf die Störungen verschleiert. Rein mathematisch funktionieren Farbprofile, die auf gestörten Druckbedingungen basieren, zwar schon, in der Praxis sind sie jedoch sehr ungenau und mangelhaft reproduzierbar.

Eine kritische Anmerkung gegenüber der G7-Vorgehensweise muss jedoch hier angebracht werden. In G7 dreht sich naturgemäß viel um die Ermittlung der Graubalance. Dazu werden in einer entsprechenden Testdruckform verschiedenste CMY-Tonwertkombinationen „ausprobiert“, die erfahrungsgemäß im Druck in der Nähe von Neutralgrau landen sollten. Die eigentliche Bestimmung der „optimalen“ Tonwertkombination passiert dann nacheinander über mehrere Tonwertbereiche hinweg durch die Einschätzung des Betrachters. Das ist in meinen Augen eine unzulängliche, unzuverlässige und längst technisch überholte Vorgehensweise.

Die Graubalance kann heute mit höchster Präzision aus einer kleinen Zahl von Farbmessungen errechnet werden. Das DFTA-Technologiezentrum bietet einen entsprechenden Rechner an, der vielfach getestet und verifiziert worden ist. (siehe Abbildung 2 – einfügen Screenshot aus dem Rechner) Die Ermittlung der Graubalance basiert auf 7 gezielt modifizierten Farbfeldern pro Tonwertbereich, kann bei Platzmangel in einer Testdruckform aber auch mit 4 solchen Feldern vollzogen werden. (siehe Abbildung 4 – einfügen Grafik der Sechsecke mit 7 Feldern bzw. der Dreiecke mit 4 Feldern oder einer linearen Anordnung)

Abbildung 2: Der DFTA-TZ Graubalance-Rechner

 

Optimierung einer Druckbedingung – oder auch: die Etablierung des (Haus-) Standards
Nachdem wir die Wichtigkeit der Graubalance nun hinlänglich kennen gelernt haben bleibt nun noch zu klären, wie sie in eine Druckbedingung (=Kombination aus Bedruckstoff, Druckfarbe, Druckmaschine, Druckformen etc.) plausibel eingebettet werden kann, um die in Aussicht gestellten Früchte bester Stabilität des Druckprozesses und Erleichterung der Datenaufbereitung zu ernten. So optimieren Sie heute Ihren Druckprozess entsprechend:

1. Ermittlung der optimalen Färbung der Teildruckfarben CMYK über die Analyse des Kurvenverlaufs im CIELab-Farbenraum für die unterschiedlichen Färbungen. Zu diesem Thema verweise ich auf einen sehr plausiblen Artikel von Hr. Christian Weber (siehe Literaturliste). Er schlägt vor, die optimale Farbübertragung an der maximalen Farbsättigung auszurichten, die sich in dem Verlauf der Färbungskurve der jeweiligen Druckfarbe im CIELab-Farbenraum ablesen lässt. Bleibt man darunter, verschenkt man Farbkraft und damit Sättigung der gedruckten Bilder, geht man darüber, verliert man ebenso wieder an Farbkraft, verschwärzlicht die gedruckten Bilder und verschenkt darüber hinaus noch Geld für die übermäßig verbrauchte Druckfarbe. Hier sei ein Fingerzeig in Richtung der farbübertragungsoptimerten Flat-Top-Druckformen gestattet, die z.T. erheblich mehr Druckfarbe auf das Substrat bringen! (Siehe Abbildung 3 – einfügen ab-Chart aus C. Weber: Optimierung von Prozessfarben)

2. Ein erster Andruck eines Testmotivs mit Stufengraukeilen und der Graubalance-Testform ergibt die Druckkennlinien (bitte nach Relativ Farbmetrischer Färbung!) und die Informationen zur Graubalance. Bitte hier nach Möglichkeit eine der DFTA-Graubalance-Testformen und den DFTA-TZ-Graubalance-Rechner verwenden. (siehe Abbildungen 2 und 4)

3. Verrechnung der Informationen aus 2. zu geeigneten Kompensationskurven für die Herstellung der Druckplatten.

4. Herstellung neuer Druckplatten unter Beachtung der Berechnungen aus 3. und zweiter Andruck mit einer Testform, die die vorherigen Erkenntnisse einerseits noch einmal verifiziert und dann, falls o.k., eine Farbmanagement Testform beinhaltet. Dies kann sein

a. ein ECI Chart o.ä. für ein volles Farbprofil aus Messungen (diesbezüglicher Andruck ist ein eigenständiger Auftrag)
b. der DFTA Print Control Strip zur Berechnung der Messdaten für ein volles Profil aus wenigen Messpunkten (kann mit einem regulären Auftrag laufen und verursacht wenig Extra-Kosten)

5. Erstellung und Verifizierung von Farbprofilen und Proof-Anpassungen nach

a. Messdaten aus dem ECI-Chart oder
b. Messdaten aus dem DFTA Print Control Strip

Das DFTA-Technologiezentrum entwickelt gegenwärtig ein Software-Werkzeug, das die Durchführung und Bewertung dieser fünf Arbeitsschritte begleiten und erleichtern kann.

 

Abbildung 3: Optimierung von Prozessfarben durch Färbungsreihen nach C. Weber

 

Abbildung 4: Beispiele für moderne Graubalance-Testformen, geeignet für eine messwertgestützte Berechnung

 

Fazit / Zusammenfassung
Die Konzentration der G7-Herangehenssweise an die Graubalance der drei bunten Teildruckfarben CMY ist plausibel und kann erhebliche Vorteile technischer und wirtschaftlicher Art nach sich ziehen. Die Graubalance ist zu Unrecht aus dem Fokus drucktechnischer Optimierungen gerückt. Auch modernes digitales Farbmanagement erfordert nach wie vor eine Balance im Druckprozess und wird ggf. dadurch erleichtert bzw. stabilisiert. Die technische G7-Vorgehensweise bei der Ermittlung der Graubalance ist jedoch nicht mehr zeitgemäß und sollte durch eine messunterstützte Berechnung ersetzt werden. Der Anwender kann ich fünf Schritten zu einer Optimierung seines Druckprozesses kommen. Am Ende erhält er außer einem stabilisierten Druck die entsprechenden Farbprofile bzw. Proof Anpassungen, so dass die Vorhersagbarkeit späterer Druckergebnisse gegeben ist, so lange die Druckbedingungen unverändert bleiben. Letzteres kann und wird als (Haus-) Standard betrachtet, der mittels des Farbprofils sehr plausibel zum Kunden übermittelt werden kann, was diesen durch gesteigertes Vertrauen zu binden hilft.

 


Das DFTA-Technologiezentrum

Im DFTA-Technologiezentrum an der Hochschule der Medien in Stuttgart arbeiten Experten an der Zukunft des Flexodrucks. Schwerpunkt sind anwendungsbezogene Forschungen sowie die Aus- und Weiterbildung auf dem Gebiet des Flexodrucks in der integrierten DFTA Flexodruck Akademie.

Alle Informationen zum DFTA-Technologiezentrum finden Sie hier.

Beitrag teilen
DAS KÖNNTE SIE AUCH INTERESSIEREN
DFTAplus

Packaging printing - the important decoration of packaging - is multifaceted and therefore complex. But not everyone who wants to or even

mehr ...

Von minus 50 auf plus 110 - so liese sich die Geschichte des Flexodrucks im Verlauf der zurückliegenden drei Jahrzehnte in aller Kürze

mehr ...

Der Verpackungsdruck - die bedeutsame Dekoration von Verpackungen - ist facettenreich und damit komplex. Aber nicht jeder, der damit umgehen

mehr ...

Flexo und Tief Interview mit Anke Frieser-Tausch, der stellvertretenden Leiterin des DFTA-Technologiezentrums an der Hochschule der Medien

mehr ...